Leipziger Buchmesse 2014
13. — 16. März 2014
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Aline Valangins «Bargada»

Schauplatz

«Die zwei jüdischen Familien hatten den Anfang gemacht. Sie waren Vorboten des Flüchtlingsstromes gewesen, der sich nun von den Bergen herunter ergoß. Sie drangen einzeln und in Gruppen ein, ausgestattet mit viel Gepäck oder abgerissen in Lumpen, halb erfroren und verhungert, voller Wunden, unfähig sich zu erklären, irrsinnig. An der Grenze wußte sich die verstärkte Wache kaum zu helfen. ‹Die Leute purzeln von den Bäumen wie Wasserfälle, wenn's regnet›, klagte Bozzi. ‹Sie rinnen einem zwischen den Fingern durch.›»

Aline Valangin: Das Dorf an der Grenze (1982)

© Schweiz Tourismus
Zu Roman und Autorin

In den beiden zusammenhängenden Romanen «Die Bargada» und «Dorf an der Grenze» entfaltet sich die Saga einer Dorfgemeinschaft über mehrere Generationen. Das Dorf liegt im schweizerisch-italienischen Grenzgebiet im Tessiner Onsernonetal. Dort ist das Leben mühevoll, der Himmel «wölbt sich gläsern und hart. Die Sonne ist ein brennender Ball. Was Arme hat, steht am Hang und schneidet Gras. Die Arbeit fängt im Morgengrauen an, und wenn der Mond aufsteigt, klingt noch das Dengeln der Sicheln durch die milde Nacht.»
Im Zweiten Weltkriege finden Flüchtlinge,. Partisanen und Schmuggler aus Italien den Weg in dieses einsame Tal, manche werden aufgenommen, andere zurück an die Grenze geschickt. Aline Valangin konnte «Die Bargada» 1944 in der Büchergilde Gutenberg publizieren, nicht aber die Fortsetzung der Saga: «Das Dorf an der Grenze». Zu politisch, zu brisant war der Inhalt, eine klarsichtige Abrechnung mit der damaligen Schweizer Flüchtlingspolitik. Der Roman erschien erst 1982 (!) im Limmatverlag und man kann sich heute vor dem Mut und der Menschlichkeit der Autorin nur verneigen:  Ohne Bewegung kann man das Buch nicht lesen.
Aline Valangin (1889-1986) war Pianistin, eine umschwärmte Schönheit, und empfing und unterstützte zusammen mit ihrem Mann Wladimir Rosenbaum zahlreiche Emigranten in ihrem Haus in Zürich und im Palazzo La Barca (das Schiff) in Comologno, darunter Kurt Tucholsky und Ernst Toller. Ab 1936 lebte sie im Tessin, als Psychoanalytikerin (ausgebildet von C.G. Jung) und Schriftstellerin. (BP)

Zum Ort

Die Bargada, das grösste und reichste Gehöft im Tal, lässt sich nicht ganz eindeutig lokalisieren. Dass es im Onsernone-Tal liegt, steht aber äusser Zweifel und dass Spruga gemeint sein könnte, ist sehr wahrscheinlich. Denn neben den historisch verbürgten Flüchtlingsströmen wird auch die «Battaglia dei Bagni di Craveggia» geschildert, die während des Zweiten Weltkriegs auf dem Grenzgebiet zwischen Spurga (Schweiz) und Craveggia (Italien) tatsächlich stattfand. Die Thermalquellen Bagni di Craveggia gehörten zur Partisanenrepublik Ossola – 1944 kam es hier, in einem fast vergessenen Gefecht, zu einem Zusammenstoss von Schweizer Grenadieren mit faschistischen Truppen und SS-Offizieren, die Flüchtlinge verfolgten. Von Spruga aus sind die Bagni in einem halbstündigen Fussmarsch talabwärts zu erreichen. In den Ruinen gibt es noch Zisternen, die zum Baden genutzt werden dürfen. Die Wassertemperatur beträgt  28 Grad!