Leipziger Buchmesse 2014
13. — 16. März 2014
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H. Claurens Lauterbrunnental

Schauplatz

«‹Das ist ein himmlischer Abend›, flüsterte sie leise, und die sanfte Glut im Abend, und die himmelreine Höhe der Jungfrau, spiegelten sich in ihren dunkelblauen Augen, und die schwanenweiße Brust drängte sich wogend aus dem samtenen Mieder! Da gewältigte mich ihr namenloser Liebreiz, ich umschlag das schöne Mädchen und drückte ihr, berauscht von dem Entzücken der Abendfeier, den ersten Kuss auf die süßen Lippen. Sie aber sank schweigend an meine Brust und lispelte leise: ‹So haben die Alpen noch nie mir geglüht.›»

Heinrich Clauren: Mimili (1816)

© KEYSTONE
Zu Roman und Autor

H. Claurens (Kitsch-)Roman «Mimili» schildert die rührende Liebesgeschichte zwischen einem Berner Oberländer Alpenmädchen und einem preussischen Offizier zu Zeiten der Napoleonischen Kriege. Nach einer Phase der Trennung und Hoffnungslosigkeit feiern die beiden Hochzeit und der alpin-erotische Bestseller endet mit dem Ausblick, dass Mimili und Wilhelm, umringt von einer Schar rotbackiger Kinder, fortan im Lauterbrunnental leben werden. Schon der erste Teil enthält eine Aufforderung zum Besuch der Romanfiguren: «Wer aber unterdessen in das Lauterbrunnen-Tal kommt und – man kann gar nicht fehlen – hinaufgeht links, den einsamen, wenig betretenen Pfad, himmelan auf ihre blühende Alpe und das holde Maidli früher sieht als ich, der grüsse es freundlich von mir.»
Die Mimili-Leser liessen nicht lange auf sich warten. Und in der Fortsetzung des Romans findet sich dann die Bestätigung, dass Mimili tatsächlich besucht worden sei: «Wir haben fast täglich auf unserer Alpe Besuch gehabt von Leuten, die heraufkamen, bloß aus Neugier.» Das Unternehmen musste für die Reisenden natürlich in eine Enttäuschung münden, wie das Beispiel eines Herrn Friedrich Meyer zeigt. Weder ist er Mimili begegnet, noch konnte er den berühmten Jungfrau-Gipfel, einen Viertausender, aus der geschilderten Position erblicken: «Auch war die Jungfrau von der Wohnung, wegen der Enge des Thals gar nicht zu sehen.»
H. Clauren hiess eigentlich Carl Heun – unter dem Pseudonym (einem Anagramm aus seinem bürgerlichen Namen) veröffentlichte er seine literarischen Schriften. Heute vergessen, gehörte er im 19. Jahrhundert – trotz oder gerade wegen seines Hangs zur Trivialität – zu den meistgelesenen Autoren. (BP)

Zum Ort

Der Schauplatz von Wilhelm und Mimilis erstem Kuss lässt sich hinreichend genau lokalisieren: Er liegt auf der Busenalp, zu erreichen ab Stechelberg, zuhinterst im Lauterbrunnental, einem der eindrucksvollsten Trogtäler der Alpen. Spektakuläre Wasserfälle und fast senkrechte Felswände haben es schon im 19. Jahrhundert als touristische Sehenswürdigkeit bekannt gemacht. Der hintere Teil des Tales ist Naturschutzgebiet und Teil des UNESCO-Weltnaturerbes Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn. Geheimtipp: Das Hotel Obersteinberg, wo die Lebensmittel noch heute per Maultier hingebracht und die Zimmer mit Kerzen beleuchtet werden.